Möchten Sie mehr über traditionelles venezianisches Handwerk (hier können Sie weitere Artikel über die Bevilacqua Seidenweberei und das Ebru marmorierte Papier lesen) erfahren? Dann steht auf der Topliste bei Ihrem nächsten Besuch ohne Zweifel die Gondelwerft Tramontin.
Gondeln sind fast so alt wie Venedig. Venedig ist immerhin ohne Gondeln unvorstellbar.
Unbekannt ist der Ursprung des Namens (1), ebenso das Aussehen des Bootes in den ersten Jahrhunderten des Bestehens. Die ältesten Bilder, die uns eine bessere Vorstellung davon vermitteln, sind die von Bellini und Carpaccio gemalten und heute in der Accademia Gemälde Galerie ausgestellten Bilder.
Die heutige Gondel entspricht jedoch nicht diesen gemalten Gondeln aus dem XV. Jahrhundert, denn sie ist das Ergebnis einer jahrhundertalten technischen Verbesserung und immer fortschreitender Entwicklung. Heute meinen sogar viele Gondelbauer, nichts kann technisch mehr verbessert werden.
Squerarol ist der Gondelbauer, also der Mann der Gondeln baut. Er arbeitet in einer kleinen Werkstatt, einem Squero, einst squadro (wahrscheinlich aus squadra, squara, Winkeleisen). In jeder Werft hat jede Ecke eine präzise Funktion; auf der einen Seite lagert das kostbare Holz, auf der anderen warten andere Boote auf Reparaturen, und vor der Hütte (sogier oder scala del squero) wird am Tag der Einweihung der Gondel diese direkt ins Wasser gelegt und gerudert und somit getestet.
In der Nähe ist oft ein kleines Gebäude, cameroto del squero, wo auch einige Werkzeuge aufbewahrt werden.
Die Hütte (tesa del squero) ist aber das pulsierende Herz der Werft.
Wir betreten die Wert D. Tramontin e fratelli, im Stadtviertel von Dorsoduro und unternehmen somit eine spannende Zeitreise, die Werkzeuge (Äxte, Hobeln, Sägen, Bohrer, Raspeln), die Techniken, der Staub und der Schweiß…
Diese Werft wurde am 2. Februar 1882 von Domenico Tramontin gegründet, der in der Werft Casal ai Servi als Lehrling sein zukünftiges Know How gelernt hatte.
Domenico war nicht nur ein raffinierter Gondelbauer, sondern auch ein Erneuerer – er hat die Asymmetrie in dem Bau der kiellosen Gondel eingeführt.
Vor dem XIX. Jahrhundert wurden Gondeln von 2 Rudernden fortbewegt. Als Folge des Stilllegens der venezianischen Handelsrouten und dadurch des Verringern der enormen Reichtümer der Kaufleute wurde die Anzahl der Ruderer auf einen einzigen Mann reduziert – Spending Review der damaligen Zeit!
Um zu vermeiden, daß die Gondel von einem einzigen Gondoliere im Kreis nach links gerudert wurde, hat Domenico eine gekrümmte Form eingeführt, die rechte Seite ist schmaler und kürzer.
Die Werft ist heute im Besitz der fünften Generation, nach Domenico kam sein Sohn Giovanni, dann dessen Sohn Nedis, dann dessen Sohn Roberto und seit 2 Jahren Robertos Töchter Elisabetta und Elena, welche versuchen, das Unternehmen mit Kontinuität weiter zu führen.
Die freundliche Elena begleitet uns in die Hütte und deutet auf das von ihrem Ururgroßvater gebaute cantier, eine Sorte von Gegenprofil. Jede Tramontin Gondel mit ihren 280 Bestandteilen ist hier entstanden.
Anhand eines Holzmodels, ebenfalls mit einem flachen Kiel, erklärt Elena die Hauptphasen vom präzisen Bau einer Gondel, vom Gegenprofil zum sanften Biegen mit Wasser und Feuer, zur Kalfaterung und Abdichtung bis zur Fertigstellung einer Gondel.
Vor uns liegt eine alte Gondel, die repariert werden muss; sie sieht noch länger und eleganter aus …
Elena erklärt auch die Eigenschaften der Holzsorten. Nichts ist eine zufällige Wahl, Eichenholz, Lärche, Nussbaum, Kirsche, Ulme, Linde, Mahagoni und Tanne, heute durch Sperrholz ersetzt.
Der tausendjährige Gondelbau macht also vor der Neuerung nicht Halt !
Elena erwähnt auch die restlichen Gondelbauern, die zur Fertigstellung einer Gondel beitragen: der Remer, Rudermacher stellt Ruder aus Buchenholz und Rudergabel aus Nuss- oder Kirschbaumholz, der Intagiador ist der Graveur des Schnitzens, der Indorador ist der Vergolderer.
Elena zeigt uns, wie man mit der Rudergabel das Antreiben und Steuern, also das Fortbewegen einer Gondel schafft, wie ein Getriebe eines modernen Autos.
Sie wird auch maßgeschnitten geschnitzt, der Größe und der Kniehohe des Gondoliere angepasst, denn man rudert immer im Stehen wegen des seichten Wassers mit einem Ruder rechts in der Riemengabel.
Dann zeigt Elena eine Felze Holzkabine mit Lamellen hinter ihr, einen Aufsatz der Gondel der Königin Margherita, denn die Tramontin Familie war offizieller Lieferant der Königsfamilie Savoyen.
A propos, bestimmt haben Sie sich schon die Frage gestellt, Was soll die Bugzierde darstellen?
Der Bugbeschlag (ferro) hat 6 Zacken (broche Nägel) laut mündlicher Überlieferung die sechs Stadtviertel, die drei kleineren stellen Murano, Burano und Torcello dar, der obere Bogen die Rialto Brücke, die Form einer umgedrehten Buchstabe S den Canal Grande.
Haben Sie noch Fragen, warum werden die Holzkabinen nicht mehr benutzt? Wie lang ist eine Gondel? Wie viel wiegt eine Gondel? Wie viel kostet eine Gondel? Gibt es eine oder mehrere Frauen, die als Gondolieri arbeiten? Was bedeutet der Ausruf ‚aoe’? Was bedeutet es für zwei junge Damen, eine traditionsreiche Werft zu führen?
Weiteres auch über die Entwicklung dieser Dekorationen am Bug und am Heck können Sie live in Venedig erleben.
Wir bleiben am Ruder !
Fiona Giusto
(1) Die Etymologie ist umstritten, aus dem Lateinischen cymbula kleines Boot oder cuncula Muschel oder aus dem Griechischen kundy Boot oder kunto helas Boot drücken.